«CRYSTAL OF RESISTANCE»
AN ARTWORK BY THOMAS HIRSCHHORN FOR THE SWISS PAVILION / VENICE BIENNALE 2011
Statement: Produktion = Ja!
Geschmack spielt in meiner Arbeit keine Rolle -
Die Frage des Geschmacks, des „guten“ oder „schlechten“ Geschmacks sind Feindschaftserklärungen
an die Kunst. Wenn Geschmacksfragen aufkommen sind Kunstfeinde – oder Angsthasen
-
Geschmack ist repressiv, er hat eine
Funktion: die auszuschliessen und auszugrenzen. Es ist eine passive Funktion – sie
will Bestehendes erhalten, Bewährtes bestätigen, sich absichern und sich festigen.
Nie ist Geschmack etwas Neues, nie etwas Offensives und nie etwas Souveränes. Geschmack
will das Gegenteil von dem was Kunst will: funktionieren und zeigen, dass man funktioniert.
Kunst aber ist eine Setzung, eine Erfahrung, eine Behauptung, Kunst ist absolute
Behauptung von Form und Kunst kann sein was nicht funktioniert. Kunst schafft ein
Erlebnis, Kunst ist ein Wagnis, Kunst geht ein Risiko ein, Kunst wagt ein Statement,
Kunst ist eine Erfindung, Kunst stellt eine Kreation in die Welt, Kunst macht etwas
Neues, Kunst ist etwas Aktives. Für Kunst muss -
Wenn die Geschmacksfrage in der Kunst auftaucht, stellt sich nicht nur die Frage
des aesthetischen Geschmacks es stellt sich auch die Frage des politischen Geschmacks.
Uns so wie es die Falle der aesthetisch geschmackvollen Kunst gibt es die Falle der
politisch geschmackvollen Kunst. Hier versuchen „Agenten des guten Geschmacks“ ihren
Einflussbereich auf das Politische zu erweitern. Politisch geschmackvolle Kunst ist
wirklich das Letzte, da darf niemand reinfallen. Wer Geschmack benützt um Kunst abzuwägen
hat die unendliche Möglichkeit, die riesige Kraft der Kunst nicht begriffen -
Der Begriff ‚Geschmack’ ist wie der Begriff ‚Qualität’ ohne
jede Dynamik. Es sind mutlose Begriffe Diese Begriffe wollen sanktionieren: Geschmack
haben, Qualität besitzen. Es geht darum Grenzen zu ziehen, die des „guten Geschmacks“
und die der „guten Qualität“. Geschmack wie Qualität ist deklinierbar: schlechte
Qualität, schlechter Geschmack und Geschmack wie Qualität wollen eines: Kontrolle.
Kunst aber ist was jeder Kontrolle entgeht! Kontrolle ist unvereinbar mit Kunst.
„Qualitätsanssprüche“ sind „Geschmacksfragen“ in der Kunst sinnlos, da Kunst immer
über solche Begriffe hinausgeht. Geschmack in der Kunst macht keinen Sinn weil es
in der Kunst um Liebe geht, um Leidenschaft, darum das Unmögliche zu wollen, darum
Alles zu geben, um ein totale Engagement für etwas, um eine Entscheidung und um die
Bereitschaft für diese Entscheidung alle Konsequenzen zu tragen. In der Kunst geht
es nicht um persönliche Vorliebe oder eine persönliche Neigung, in der Kunst überhaupt
geht es nie um etwas 'persönliches' -
Deshalb
mein Statement: „Qualität = Nein! Energie = Ja!“. Ich weiss nicht was „Qualität“
hat in der Kunst, ich weiss nicht was „Geschmack“ besitzen soll in der Kunst -
Ich
aber will arbeiten. Ich will nicht nur den Geschmack und Geschmacksfragen bekämpfen,
ich will dem Geschmack etwas gegenüberstellen, etwas Positives entgegenzusetzen.
Ich will einen positiven Gegenbegriffe bezeichnen und darauf insistieren. So wie
ich den Begriff 'Qualität' den Begriff 'Energie' entgegenstelle will ich dem Begriff
'Geschmack' den Begriff 'Produktion' entgegenstellen!
Ja, ich will produzieren, ich will viel produzieren, schnell, gutes, schlechtes, rastlos und kopflos. Ich will mich nicht einschläfern lassen, ich will mich nicht neutralisieren lassen, ich will aktiv sein. Produktion = Ja!
Thomas Hirschhorn, Aubervilliers, Sommer 2009